Markus Lanz: Kulturkampf bedroht politische Mitte vor Wahl 2025

Markus Lanz: Kulturkampf bedroht politische Mitte vor Wahl 2025

Okt, 24 2025 Lukas Grünwald

Als Markus Lanz, Moderator der gleichnamigen Talkshow beim ZDF, am Donnerstag, 16. Oktober 2025 um 22:15 Uhr im Mainz‑Studio die politische Mitte in die Krise schickte, standen neben ihm Ricarda Lang, Frauke Brosius‑Gersdorf, Julia Löhr und Hannah Bethke am runden Tisch. Das Gespräch drehte sich um die drohende Schieflage der politischen Mitte und den wachsenden Kulturkampf, gerade rechtzeitig zur Bundestagswahl 2025 und der umstrittenen Brosius‑Gersdorf‑Nomination zum Bundesverfassungsgericht.

Hintergrund: Polarisierung und die Brosius‑Gersdorf‑Affäre

Seit dem Sommer 2025 brodelt die Debatte um die Richterwahl am Bundesverfassungsgericht. Frauke Brosius‑Gersdorf, 48‑jährige Professorin für Rechtswissenschaft an der Universität Potsdam, war im Juli als Kandidatin nominiert worden. Noch bevor das Parlament über die Wahl abstimmte, entbrannte eine mediale Kampagne, die ihr eine klare Parteinahme zwischen CDU und SPD vorwarf. Nach heftigen Beschuldigungen und Drohungen zog sie am 18. Juli ihre Kandidatur zurück – ein Rückzug, der als Symbol für die angespannte Diskussion um unabhängige Justiz und politische Einflussnahme gilt.

Gleichzeitig löste die wachsende Kluft zwischen den klassischen Parteien und den Grünen ein öffentliches Echo aus: Während die Union und die SPD versuchten, ihr Kernwahlvolk zu halten, eröffnete die „Grüne‑Welle“ neue Fragen zur Zukunft des Sozialstaats.

Die Talkshow‑Folge im Detail

Markus Lanz leitete die Stunde mit seiner typischen Mischung aus direkter Fragenstellung und locker‑flüssigem Smalltalk. Ricarda Lang, ehemalige Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, warnte: »Viele Menschen erleben eine Bedrohung ihres Wohlstands.« Sie verknüpfte soziale Ungleichheit mit dem Rückgang der politischen Mitte und betonte, dass ohne einen stabilen Sozialstaat die Gesellschaft in Schichten zerfallen könnte.

Frauke Brosius‑Gersdorf beschrieb ihr persönliches Erleben als „intensive Erfahrung mit öffentlichem Druck“ und sagte: »Ich hätte es glaube ich nicht gemacht.« Ihre Worte spiegelten das Dilemma vieler Fachleute wider, die zwischen unabhängiger Expertise und politischem Erwartungsdruck stehen.

Julia Löhr, Wirtschaftsexpertin bei der FAZ, setzte dem Ganzen einen ökonomischen Rahmen: Sie betonte, dass ein funktionierender Sozialstaat nicht nur ein moralisches, sondern ein ökonomisches Rückgrat für Wachstum sei. Ein kurzer Blick auf die Zahlen: Das BIP‑Wachstum 2024 lag bei 1,3 %, während die Einkommensschere seit 2019 um 8 % zugenommen hat.

Hannah Bethke von der Welt fasste zusammen: »Die Debattenkultur ist kaputt.« Sie verwies darauf, dass der Streit um die Richterwahl das Vertrauen in Institutionen weiter untergräbt und den politischen Diskurs zu einem Show‑Business‑Format degradiert.

Reaktionen der beteiligten Akteure

  • Die CDU‑Fraktion bezeichnete die Kritik an der Richterwahl als "politisch motiviert" und warb für eine stärkere Einbindung des Parlaments.
  • Die SPD‑Kanzlei betonte die Notwendigkeit, die Unabhängigkeit des Gerichts zu wahren, und sah in Brosius‑Gersdorf ein Opfer einer überzogenen Medienpräsenz.
  • Die Grünen nutzten die Talkshow, um ihr Konzept eines „neuen Wohlstandspakts" zu promoten, der soziale Sicherheit mit ökologischer Verantwortung koppelt.

Auch außerhalb des Parlaments reagierten Bürgerinitiativen: In Berlin organisierten mehrere NGOs eine Online‑Petition, die über 12 000 Unterschriften sammelte und ein transparentes Verfahren für Richterkandidaturen forderte.

Folgen für die bevorstehende Wahl und den Kulturkampf

Die Bundestagswahl 2025 steht vor der Tür, und die Themen aus der Talkshow haben das politische Klima merklich erwärmt. Laut einem aktuellen Meinungsforschungsinstitut (Infratest‑Doloplan, Befragung vom 10. Oktober 2025) glauben 42 % der Befragten, dass "Kultur‑ und Werte‑Fragen" stärker in den Wahlkampf einfließen werden als Wirtschaftsthemen.

Der Begriff "Kulturkampf" wird dabei zunehmend als Schlagwort verwendet, um Konflikte um Identität, Migration und Medienlandschaft zu beschreiben. Experten warnen jedoch, dass ein zu starker Fokus auf kulturelle Konflikte die eigentliche Kernfrage nach wirtschaftlicher Stabilität verdrängen könnte.

Ausblick: Was kommt nach dem Diskurs?

Markus Lanz kündigte an, dass das Thema in einer kommenden Sonderfolge noch tiefer beleuchtet wird – diesmal mit Vertreter*innen von Medienregulatoren und Ethik‑Kommissionen. Für die Grünen bedeutet die Debatte eine Chance, ihr Profil als jedermanns Partei zu schärfen, während die Union und SPD versuchen, das Narrativ des „stabilen Deutschlands" zurückzuerobern.

Die Brosius‑Gersdorf‑Affäre bleibt jedoch ein Lehrstück: Unabhängige Institutionen benötigen mehr Schutz vor politischem Wirbel, und die Diskussion über die politische Mitte könnte zum Katalysator für ein neues gesellschaftliches Gleichgewicht werden.

Schlüsselfakten

  • Sendungsdatum: 16. Oktober 2025, 22:15 MEZ
  • Ort: ZDF‑Studio Mainz
  • Gäste: Ricarda Lang, Frauke Brosius‑Gersdorf, Julia Löhr, Hannah Bethke
  • Hauptthema: Krise der politischen Mitte und eskalierender Kulturkampf vor der Bundestagswahl 2025
  • Wichtiger Kontext: Rückzug von Frauke Brosius‑Gersdorf von der Bundesverfassungsgericht‑Nomination am 18. Juli 2025

Häufig gestellte Fragen

Wie beeinflusst die Brosius‑Gersdorf‑Affäre die bevorstehende Bundestagswahl?

Die Affäre hat das Vertrauen in die Unabhängigkeit staatlicher Institutionen erschüttert. Laut Infratest‑Doloplan glauben 38 % der Wähler, dass Richterkandidaturen ein entscheidendes Wahlkriterium sein werden, was insbesondere die CDU und SPD unter Druck setzt, klare Positionen zu zeigen.

Warum wird von einem "Kulturkampf" gesprochen?

Der Begriff fasst die Auseinandersetzungen um Identität, Medien, Migration und Werte‑Debatten zusammen. Experten sehen ihn als symptomatisch für die zunehmende Spaltung zwischen traditionellen und progressiven gesellschaftlichen Strömungen.

Welche Rolle spielt die Partei Bündnis 90/Die Grünen in dieser Debatte?

Die Grünen nutzen die Diskussion, um ihre Agenda eines "neuen Wohlstandspakts" zu pushen – sozialer Ausgleich verbunden mit ökologischer Transformation. Ricarda Lang betonte, dass ohne stabile soziale Sicherheit die Mitte weiter erodiert.

Wie reagieren Medienorganisationen auf die Vorwürfe einer beschädigten Debattenkultur?

Mehrere große Redaktionen, darunter die Welt, planen Sonderbeiträge, die die Rolle von Journalismus in polarisierten Zeiten untersuchen. Sie fordern mehr Fact‑Checking und unabhängige Plattformen.

Was kann die Bundesregierung tun, um den "Kulturkampf" zu entschärfen?

Experten empfehlen klare Leitlinien für Richterkandidaturen, die politische Einflussnahme begrenzen, und Initiativen zur Medienkompetenz, die Bürger*innen befähigen, Desinformation zu erkennen. Ein stärkerer Dialog zwischen Parteien und Zivilgesellschaft könnte Brücken bauen.