Österreich Waffenrecht: Regierung präsentiert größte Reform seit 30 Jahren nach Graz-Schüssen

Österreich Waffenrecht: Regierung präsentiert größte Reform seit 30 Jahren nach Graz-Schüssen

Sep, 5 2025 Lukas Grünwald

Nach der Schießerei in Graz im Juni 2025 zieht die Bundesregierung die Zügel deutlich an: Der vorgelegte Entwurf ist die umfassendste Neufassung des Österreich Waffenrecht seit drei Jahrzehnten. Das Innenministerium spricht von einem Paket, das Altersgrenzen anhebt, psychologische Zuverlässigkeitsprüfungen verschärft, Wartefristen verlängert und den Behörden mehr Werkzeuge gegen illegale Waffen gibt. Der Innenausschuss schickte den Text einstimmig in die Begutachtung, Stellungnahmen sind bis 16. September möglich. ÖVP, SPÖ und NEOS tragen die Vorlage gemeinsam; die Regierung will sie – wenn alles hält – noch im Herbst durchs Parlament bringen.

Innenminister Gerhard Karner machte den politischen Kurs klar: Nach Graz, so sagte er, könne man „nicht einfach zur Tagesordnung übergehen“. Parallel dazu betonen Koalitionsvertreter die Geschwindigkeit, mit der der Entwurf entstanden ist. Die Opposition moniert genau das: zu wenig Zeit, zu viel Druck, zu viele offene Detailfragen.

Was die Reform konkret vorsieht

Der Dreh- und Angelpunkt sind neue Altersgrenzen. Künftig soll gelten: Pistolen und Revolver erst ab 25 Jahren (bisher 21). Langwaffen – etwa Jagd- und Sportgewehre – ab 21 Jahren. Dazu kommt ein Bruch mit einer zentralen österreichischen Praxis: Für Waffen der Kategorie C (darunter fallen viele Jagdgewehre und Flinten) braucht es künftig eine Waffenbesitzkarte. Bislang reichte hier eine Meldung beim Händler beziehungsweise im Register, ein förmlicher Erlaubnisschein war nicht nötig.

Karner ließ zugleich den Zeitplan präzisieren: Auch wenn das Paket im Nationalrat schon im Oktober 2025 beschlossen werden könnte, greifen die Altersgrenzen erst im ersten Quartal 2026. Grund ist die notwendige Umprogrammierung des Zentralen Waffenregisters. Technisch müssen Altersprüfungen, Fristen und neue Kategorien sauber abgebildet sein, damit Behördenentscheidungen rechtssicher werden.

Zusätzlich verschärft der Entwurf die Voraussetzungen für die sogenannte psychologische Zuverlässigkeit. Bewerberinnen und Bewerber müssen mit strengeren Prüfungen rechnen, die Hürden steigen. Diese Checks sollen nicht nur für Kategorie-B-Waffen (Pistolen, Revolver) gelten, sondern breiter angelegt werden und damit auch Fälle abdecken, die bislang nicht erfasst waren. Aus dem Ministerium ist zu hören, dass die Bandbreite an Konstellationen erweitert wird, in denen Behörden einschreiten oder eine Waffe versagen können.

Die Wartefrist beim Kauf – die „Cooling-off-Period“ – soll auf vier Wochen verlängert werden. Der Gedanke dahinter: Zwischen Kaufentscheidung und tatsächlicher Übergabe liegt eine Zeitspanne, in der Impulshandlungen abgekühlt werden und vertiefte Prüfungen möglich sind. Händler müssten Abläufe anpassen, Behörden hätten mehr Zeit für Checks im Register und zur Klärung von Auffälligkeiten.

Beim Kampf gegen illegalen Waffenhandel setzt der Entwurf auf mehrere Schrauben: schärfere Kontrollen, besseren Informationsfluss zwischen Polizeibehörden, Waffenbehörden und Gerichten sowie einheitlichere Standards bei der Bewertung von Risiken. Verschärfte Waffenverbote sind Teil des Pakets – etwa für Personen, bei denen konkrete Gefahrenmomente gesehen werden. Wie das im Detail aussieht, wird in der Begutachtung entscheidend verhandelt, etwa welche Schwellenwerte gelten und wie rasch Verbote in Kraft treten sollen.

Besonders viel Veränderung bringt die Pflicht zur Waffenbesitzkarte für Kategorie C. Praktisch heißt das: Wer künftig etwa ein Jagdgewehr erwerben will, braucht einen behördlichen Erlaubnisschein mit Zuverlässigkeitsprüfung und Eignungsnachweis. Das erhöht die formalen Hürden – und voraussichtlich auch die Kosten und Bearbeitungszeiten. Jagd- und Sportschützenverbände werden sich damit intensiv befassen, weil Schulungen, Nachweise und die Verwaltungspraxis neu austariert werden müssen.

Offen ist, wie Übergangsfristen für bestehende Besitzer geregelt werden. In der Praxis wird es darauf ankommen, ob und in welchem Zeitraum aktuelle Eigentümer von Kategorie-C-Waffen eine Besitzkarte nachreichen müssen – und welche Nachweise dann verpflichtend sind. Genau hier dürfte die Begutachtung viele Stellungnahmen auslösen, weil es um Machbarkeit, Gebühren und die Kapazitäten der Waffenbehörden geht.

Ein weiterer Baustein ist der Datenaustausch. Der Entwurf sieht vor, dass Informationen zwischen Behörden schneller und vollständiger fließen. Das betrifft etwa Hinweise aus Strafverfahren, Waffenverbote oder relevante gerichtliche Entscheidungen. Ziel ist, dass eine Behörde nicht erst Wochen später erfährt, was anderswo bereits aktenkundig ist. Die technische Umsetzung – Schnittstellen, Echtzeitabfragen – ist allerdings kein Pappenstiel und wird parallel zum Gesetz zu stemmen sein.

Was bedeutet das für Käuferinnen und Käufer ganz praktisch? Wer künftig ein Gewehr erwerben will, muss in dieser Reihenfolge planen: Antrag auf Waffenbesitzkarte, Zuverlässigkeitscheck und Eignungsnachweise bestehen, dann Kaufvertrag beim Händler, vier Wochen Wartefrist, anschließend die tatsächliche Übergabe. Dazu kommen die Pflichten zur sicheren Aufbewahrung und mögliche Nachkontrollen. Für Pistolen und Revolver greift zudem die höhere Altersgrenze.

Hintergrund, Kritik und Einordnung

Politischer Auslöser war die Gewalttat in Graz. Die Regierung will Handlungsfähigkeit zeigen, ohne rechtsstaatliche Verfahren zu knicken. Genau daran entzündet sich der Konflikt mit der Opposition. Die FPÖ spricht von einer „Farce“ wegen der kurzen Begutachtungsfrist und nennt den Entwurf „Anlassgesetzgebung“. Die Grünen fordern an mehreren Stellen noch schärfere Regeln, vor allem bei der Ausweitung psychologischer Checks. Gleichzeitig unterstützen sie das Ziel, Lücken zu schließen.

Ein Blick auf Europa zeigt, wie weit der österreichische Schritt reicht: Viele EU-Staaten kennen für Kurzwaffen Altersgrenzen ab 21 Jahren oder koppeln niedrigere Altersgrenzen an besonders strenge Prüfungen. Mit 25 Jahren für Pistolen und Revolver würde Österreich zu den Ländern mit den höchsten Altersanforderungen zählen. Das ist politisch gewollt – als deutliches Signal, dass der Zugang zu besonders handlichen und gefährlichen Waffen stärker reguliert wird.

Zur Einordnung gehört auch die österreichische Kategorisierung: Verbotene Waffen (Kategorie A) bleiben grundsätzlich tabu. Kategorie B umfasst insbesondere Pistolen und Revolver sowie bestimmte halbautomatische Langwaffen – hier brauchte man schon bisher eine behördliche Bewilligung. Kategorie C umfasst Jagd- und Sportgewehre, für die bisher keine Waffenbesitzkarte nötig war. Genau diese Lücke soll die Reform schließen, damit dieselben Zuverlässigkeitsmaßstäbe für mehr Waffentypen gelten.

Warum die lange Wartefrist? „Cooling-off“-Regeln sollen spontane, emotionale Entscheidungen abfedern und Behörden Zeit geben, Akten zu prüfen. Händler müssen künftig länger bevorraten und werden Abläufe digitalisieren, um die Fristen zu managen. Für Behörden bedeutet das: mehr Anträge, mehr Prüfungen, mehr Koordination. In der Begutachtung wird daher auch um Personal- und Budgetfragen gerungen werden – zusätzlich zu den rechtlichen Details.

Die geplanten Verschärfungen bei Waffenverboten und der Datenaustausch sind besonders sensibel. Hier geht es darum, Gefahrensituationen früh zu erkennen – etwa wenn wegen Gewaltvorfällen bereits polizeiliche Maßnahmen laufen – und diese Informationen sofort zu berücksichtigen, wenn jemand eine Waffe beantragt oder besitzt. Aus rechtsstaatlicher Sicht ist aber ebenso wichtig: klare Kriterien, transparente Verfahren und funktionierende Rechtsmittel. Ohne das drohen Gerichte die Praxis rasch wieder einzufangen.

Spürbare Folgen hat die Reform für Jägerinnen, Jäger, Sportschützinnen und -schützen. Viele, die bislang relativ unkompliziert Kategorie-C-Waffen erwerben konnten, müssen künftig eine formelle Erlaubnis durchlaufen. Das kann im Alltag bedeuten: zusätzliche Termine, medizinisch-psychologische Nachweise, Gebühren und Wartezeiten. Jagdverbände dürften auf praxistaugliche Übergangsregeln drängen, damit die kommende Saison und bestehende Bestände nicht im Verwaltungsstau verharren.

Was offen ist – und worauf viele warten:

  • Gelten Übergangsfristen für Besitzer von Kategorie-C-Waffen, und wie lang?
  • In welchen Abständen müssen psychologische Zuverlässigkeitschecks erneuert werden?
  • Welche Ausnahmen sind für Berufsgruppen (etwa Berufsjäger, Sicherheitsgewerbe) vorgesehen?
  • Wie werden Waffenverbote konkret begründet und zugestellt, und welche Fristen gelten für Einsprüche?
  • Welche zusätzlichen Ressourcen erhalten Waffenbehörden, Polizei, Zoll und Justiz für Kontrollen und den Kampf gegen den illegalen Handel?

Zur Umsetzung: Der politische Fahrplan sieht eine rasche Beschlussfassung vor – nach aktueller Lesart bereits im Oktober 2025 im Nationalrat, danach der Bundesrat. Ein formales Inkrafttreten noch 2025 ist realistisch. Die zentralen Altersregeln starten aber, wie angekündigt, erst Anfang 2026, sobald das Register umgestellt ist. Für einzelne Detailbestimmungen – etwa Übergänge und Prüffristen – könnte es gestaffelte Starttermine geben.

Aus Verwaltungssicht ist die Modernisierung des Zentralen Waffenregisters der Knackpunkt. Nötig sind Schnittstellen, die Anträge, Fristen und Verbote konsistent abbilden. Wichtig ist auch, dass Händler sauber eingebunden werden: Sie müssen verlässlich sehen, in welchem Stadium sich ein Antrag befindet, und dokumentieren, wann die vier Wochen Wartefrist beginnt und endet. Fehler in diesem System wären mehr als lästig – sie könnten in letzter Konsequenz sicherheitsrelevant sein.

Rechtspolitisch ist die Reform ein Balanceakt. Mehr Sicherheit durch höhere Hürden und bessere Informationen – ja. Gleichzeitig braucht es faire, überprüfbare Verfahren, damit Grundrechte nicht unter die Räder kommen. Dass die Koalition SPÖ, ÖVP und NEOS hier gemeinsam agiert, verschafft dem Paket Gewicht. Je nachdem, wie die Begutachtung die offenen Punkte sortiert, könnte daraus ein breit getragenes Gesetz werden – oder ein Text, der in der Praxis dauernd nachgeschärft werden muss.

Und noch ein Blick auf die Praxis: Wer künftig eine Handfeuerwaffe will, muss sich auf ein längeres, genaueres Verfahren einstellen. Für Erstkäuferinnen und Erstkäufer ist das die größte Hürde. Für Bestandsbesitzer ist die entscheidende Frage, welche Nachweise sie nachliefern müssen. Die Behörden wiederum werden an klaren Checklisten gemessen werden: Wie schnell werden Anträge bearbeitet? Welche Kriterien führen zur Ablehnung? Wie oft greifen Kontrollen? Diese Fragen entscheiden am Ende, ob die Reform im Alltag wirkt – und ob sie das Vertrauen stärkt, das nach den Ereignissen von Graz so fragil geworden ist.