XY-Preis 2024: Bundesinnenministerin Faeser ehrt neun Bürger für mutiges Eingreifen

XY-Preis 2024: Bundesinnenministerin Faeser ehrt neun Bürger für mutiges Eingreifen

Nov, 7 2025 Lukas Grünwald

Am Montag, 18. November 2024, stand in Berlin nicht die Politik im Mittelpunkt, sondern das Gewissen der Gesellschaft. Nancy Faeser, Bundesinnenministerin, übergab im ZDF-Hauptstadtstudio den XY-Preis – Gemeinsam gegen das Verbrechen an neun Menschen, die in kritischen Momenten nicht wegschauten – sondern handelten. Die Auszeichnung, bereits zum 23. Mal verliehen und mit jeweils 10.000 Euro dotiert, wurde von Rudi Cerne, Moderator von Aktenzeichen XY... Ungelöst, moderiert. Die Zeremonie, die am 11. Dezember 2024 im ZDF ausgestrahlt wird, war kein bloßes Ritual – sie war ein deutliches Signal: Zivilcourage zählt. Und sie rettet Leben.

Was geschah in Sulingen? Ein Team, das die Polizei brauchte

Die beeindruckendste Geschichte des Abends kam aus Sulingen. Fünf Freunde – Leon Jamal Zeid (20), Mohamed Ibrahim (20), Ahmad Faour (21), Argjend Klimenta (19) und Kiana Frede (20) – saßen nach einem Abendessen in einem Schnellrestaurant, als Schreie aus dem Parkplatz drangen. Leon als Erster rannte hin – und sah einen Mann mit einem Messer auf eine 30-jährige Frau losgehen. Der Täter flüchtete. Doch statt zu zögern, reagierten die fünf wie ein eingespieltes Team. Leon rief die Polizei. Ahmad und Argjend sprinteten hinter dem Auto her, notierten Kennzeichen, Farbe, Modell – alles mit eiserner Konzentration. Gleichzeitig kümmerten sich Mohamed und Kiana um die blutende Frau, fanden einen Verbandskasten im Auto und leisteten erste Hilfe, bis der Rettungsdienst eintraf.

Was danach kam, war fast unglaublich: Der Mann, den sie beschrieben hatten, war derselbe, der drei Tage zuvor eine 17-jährige Schülerin in Baden-Württemberg getötet hatte. Ein Fall, der mit einem Cold Case aus dem Jahr 1979 in Aktenzeichen XY... Ungelöst in Verbindung gebracht wird. Ohne die fünf Freunde wäre der Täter wahrscheinlich weitergezogen – und hätte erneut zugeschlagen. Die Polizei bestätigte später: Die Hinweise der jungen Leute waren entscheidend für die Festnahme.

Ein Stopp im Wetterau: Frauen, die das Schweigen brachen

Ein anderer Fall zeigte, wie Zivilcourage auch langsam, aber beharrlich wirkt. Emma Hufnagel, Maika Janat-Vennemann und Elvira Bunzel aus dem Kreis Wetterau hatten über Jahre hinweg Hinweise auf einen wiederholten Sexualstraftäter gesammelt – und niemand wollte hören. Sie sprachen mit Opfern, dokumentierten Zeiten, Orte, Fahrzeugnummern. Sie gingen zur Polizei, schrieben Briefe, setzten sich mit Schulen und Vereinen auseinander. Ihr Mut, das Schweigen zu brechen, führte schließlich zur Festnahme des Täters. Ein Fall, der jahrelang ignoriert wurde – bis drei Frauen nicht mehr schweigen konnten.

Ein Baby im Container: Andreas Bichert und der Moment, der alles änderte

Der dritte Preisträger, Andreas Bichert, lebt in Langenau bei Ulm. Er war auf dem Weg zur Arbeit, als er ein Geräusch aus einem Altglas-Container hörte – ein schwaches Weinen. Er öffnete den Deckel. Darin lag ein Neugeborenes, kalt, blau, kaum atemend. Ohne zu zögern, wickelte er das Kind in seine Jacke, rief den Rettungsdienst und fuhr mit ihm zum nächsten Krankenhaus. Das Baby überlebte. Die Polizei fand später heraus, dass die Mutter unter schwerer psychischer Belastung stand – und das Kind in der Hoffnung auf Rettung abgelegt hatte. Andreas Bichert hat kein Gesicht für die Medien gesucht. Er sagte nur: "Ich hätte ja auch nicht weitergehen können."

Warum dieser Preis mehr ist als eine Auszeichnung

Der XY-Preis – Gemeinsam gegen das Verbrechen wurde 2002 von Eduard Zimmermann, dem ehemaligen Moderator von Aktenzeichen XY... Ungelöst, ins Leben gerufen. Seine Botschaft damals war klar: "Niemand soll sich selbst in Gefahr bringen, aber ohne ein couragiertes Miteinander der Bürger überlassen wir den Falschen das Feld." Heute, 22 Jahre später, hat sich nichts geändert – im Gegenteil. In einer Zeit, in der soziale Medien oft zu Spaltung führen, zeigen diese neun Menschen, dass Gemeinschaft nicht nur ein Wort ist. Sie ist eine Handlung.

ZDF-Programmdirektorin Dr. Nadine Bilke formulierte es so: "Mit ihrem beherzten Einschreiten haben unsere Preisträgerinnen und Preisträger andere, ihnen unbekannte Mitmenschen vor Schlimmerem bewahrt. Sie setzen damit ein überaus wichtiges Zeichen in unserer Gesellschaft – Zivilcourage rettet Leben."

Was kommt als Nächstes?

Die Ausstrahlung am 11. Dezember 2024 wird ein Ereignis – nicht nur für Zuschauer, sondern für die gesamte deutsche Gesellschaft. Denn der Preis ist kein Ende, sondern ein Anfang. Die ZDF-Fahndung redaktion hat bereits angekündigt, dass sie mit den Preisträgern aus Sulingen und Wetterau in die Schulen geht, um Jugendliche über Zivilcourage aufzuklären. Ein Pilotprojekt in Baden-Württemberg wird 2025 starten: Schüler sollen lernen, wie man in Notsituationen ruhig bleibt, Hilfe leistet und Informationen sammelt – ohne sich selbst zu gefährden.

Bis 2022 wurden 69 Preise an über 90 Personen verliehen. Die Zahl klingt klein – aber jeder einzelne Fall ist ein Lichtstrahl in einer dunklen Welt. Was diese Menschen getan haben, ist nicht heroisch – es ist menschlich. Und genau das macht es so schwer, nachzuahmen. Denn es geht nicht um Tapferkeit. Es geht um Entscheidung.

Frequently Asked Questions

Warum wurde der XY-Preis 2024 besonders beachtet?

Weil die Fälle nicht nur mutig, sondern auch präzise und lebensrettend waren – besonders die Aktion der fünf Freunde aus Sulingen, die einem gesuchten Serientäter das Handwerk legten. Die Verbindung zu einem 45 Jahre alten Cold Case aus 1979 und die schnelle Festnahme durch Bürgerhilfe machten diesen Fall zu einem Medienereignis. Zudem wurde erstmals seit Jahren ein Fall aus dem ländlichen Raum so prominent gewürdigt – was zeigt, dass Zivilcourage überall stattfindet.

Wie wird der XY-Preis vergeben?

Eine elfköpfige Fachjury, bestehend aus Ermittlungsbeamten, Sozialarbeitern und Medienexperten, wählt die Preisträger aus. Vorschläge kommen von Polizei, ZDF-Fahndung und der Öffentlichkeit. Die Entscheidung basiert auf der konkreten Wirkung des Handelns, der Risikobereitschaft und dem Maß an Zivilcourage – nicht auf öffentlicher Popularität. Jeder Gewinner muss nachweislich ein Leben gerettet oder schweres Unrecht verhindert haben.

Was ist der Unterschied zwischen XY-Preis und XY-Ehrenpreis?

Der reguläre XY-Preis wird an lebende Personen verliehen, die in einer konkreten Situation handelten. Der XY-Ehrenpreis ist posthum und wird nur für außergewöhnliche, oft opferbereite Taten vergeben – wie 2009 an Dominik Brunner, der einen Angriff auf einen Fremden stoppte und dabei starb. Er ist die höchste Auszeichnung der Serie und wurde bisher nur dreimal verliehen.

Warum ist Rudi Cerne als Moderator wichtig?

Rudi Cerne ist nicht nur Moderator, sondern der direkte Nachfolger von Eduard Zimmermann, der den Preis 2002 gründete. Seine langjährige Verbindung zu Aktenzeichen XY... Ungelöst verleiht der Zeremonie Kontinuität und Glaubwürdigkeit. Er kennt die Fälle, die Hintergründe, die Opfer – und verleiht den Preisträgern eine Stimme, die über das Fernsehen hinaus wirkt. Seine Präsenz macht den Preis zu einer lebendigen Tradition.

Wie kann ich als Bürger Zivilcourage zeigen, ohne mich zu gefährden?

Man muss nicht in den Kampf ziehen. Oft reicht es, Zeuge zu sein: Notieren Sie Kennzeichen, beschreiben Sie Täter, rufen Sie die Polizei, helfen Sie bei der Erstversorgung – aber nur, wenn es sicher ist. Die fünf aus Sulingen haben genau das getan: Sie haben sich nicht allein dem Täter gestellt, sondern als Team agiert – einer rief die Polizei, zwei merkten sich Details, zwei kümmerten sich um das Opfer. Das ist das Vorbild: klug, koordiniert, mutig – aber nicht selbstmörderisch.

Gibt es ähnliche Initiativen in anderen Ländern?

Ja – etwa der "Citizen of the Year"-Preis in den USA oder der "Courage Award" in Frankreich. Aber kein Land hat eine solche kontinuierliche, medienbasierte Tradition wie Deutschland mit dem XY-Preis. Die Verbindung zur Fernsehfahndung macht ihn einzigartig: Er nutzt die Macht der Medien, um nicht nur zu ehren, sondern auch zu warnen, aufzuklären und andere zu ermutigen.